Ü-60 und Nicht-Muttersprachler konkurrieren mit Idealkandidaten und treffen auf befristete Arbeitsverträge
Die wenigsten Bewerber auf dem Arbeitsmarkt sind Idealkandidaten, denn jeder hat irgendetwas, das irgendwo nicht passt. Oftmals beschleicht einen das Gefühl, die Stellenausschreibung verlangt gar unmögliches. Oder - andererseits - bieten Unternehmen Stellen an, die einen Haken haben. Und manchmal trifft auch alles zusammen.
Dann sieht man total schwarz - oder?
Stellensuchende im höheren Alter tun sich oft schwer. Absagen oder gar keine Antworten lassen vermuten, die Entscheidung lautet: zu alt. Auch Nicht-Muttersprachler haben oftmals das Gefühl, sie werden aussortiert, wegen nicht-perfekter Deutschkenntnisse. Wie kommt man dagegen an? Noch ein Sprachzertifikat machen? Aber das Lebensalter lässt sich nicht abschütteln.

Dem Feind ins Auge sehen
Man kann natürlich die Strategie verfolgen, diese Mängel zu kaschieren. Viele Bewerbungstipps raten dazu. Viele Job-Berater arbeiten mit Feuereifer daran, diese sogenannten Mängel zu überspielen oder zu beschönigen. Der Bewerber selbst kommt sich dann aber immer mehr vor, wie eine Mogelpackung, stets in der Hoffnung, dass er nicht auffliegt.
Anders ist diese Geschichte:
Ein Bewerber, Ü-60, geboren und aufgewachsen im europäischen Ausland ist auf Jobsuche, weil sein langjähriger Arbeitgeber seine Abteilung kostensparend auf einen anderen Kontinent outgesourced hat. Die erste Arbeit im Coaching besteht darin, seine Fähigkeiten und Kompetenzen in den Vordergrund zu rücken. Damit treten die sogenannten Mängel automatisch in den Hintergrund, dort müssen sie gar nicht mehr kaschiert werden. Bei der Recherche findet er eine Stellenanzeige, die hohe Anforderungen stellt. Die erfüllt er zwar, aber viele andere, junge, karriereorientierte Idealkandidaten sicher auch. Die Stelle hat allerdings einen Haken: befristet auf 2 Jahre. Insgeheim denkt er sich, dass das ja nichts macht, denn dann stünde ja sowieso sein Ruhestand an. Aber was ist das denn für ein Argument? Kann man damit punkten? Ich finde: ja! Er hat es gutgeheißen, es riskiert und sehr elegant formuliert, dass ihm die Befristung der Stelle sehr gelegen käme und er in der verbleibenden Zeit seines Berufslebens gern nochmal Vollgas geben möchte.
Und - was soll ich sagen: Bingo!
Nur ein paar Tage nach Absenden der Bewerbung bekam er die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Nicht das Kaschieren der Defizite, sondern Synergiepotentiale lassen eine Win- Win Situation entstehen.
Doris Semmelmann, im November 2017